Zwischen klassischer Hautpflege und ästhetischer Medizin gibt es große Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten. Welche das sind, wie sich diese zwei Welten vereinen lassen und was das für die Entwicklung hochwirksamer Hautpflegeprodukte bedeutet, beantwortet uns Dr. Frank Muggenthaler.
Was reizt Sie als ästhetisch-plastischer Chirurg an der Entwicklung einer Medical-Skincare-Linie?
Die klinische Tätigkeit als ästhetisch-plastischer Chirurg und die Arbeit im Labor weisen viele Parallelen auf. Sowohl in der ästhetischen Medizin als auch bei der Entwicklung von Hautpflegeprodukten geht es darum, wissenschaftliche Erkenntnisse, Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten zu verstehen und diese mit handwerklichem Geschick, Leidenschaft und einem hohen Maß an Sorgfalt anzuwenden. Besonders spannend wird es, wenn sich die Erkenntnisse aus der Chirurgie, der Dermatologie und der Pharmakologie gegenseitig befruchten und so einzigartige Produkte entwickelt werden können.
Die Tatsache, dass die wissenschaftliche Forschung im Bereich der Hautoptimierung und -verjüngung immer weiter intensiviert und vorangetrieben wird, ist für mich persönlich besonders reizvoll.
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Medical Skincare und „normaler“ Skincare?
Bei der Medical Skincare, also der medizinischen Hautpflege, müssen wir zuerst zwischen rezeptpflichtigen und frei verkäuflichen Produkten unterscheiden. Wenn wir Erstere einmal außer Acht lassen, lässt sich die Abgrenzung vor allem durch die jeweilige Produktphilosophie vornehmen. Medizinische Kosmetik verfolgt immer eine Verbesserung bestimmter Hautzustände oder eine Hauterneuerung. Die Konzentration der Wirkstoffe ist in der Regel höher als bei klassischer Kosmetik. Je nach Indikation kann hier eine ärztliche Betreuung durchaus sinnvoll sein. Zum Beispiel beim Einsatz hoher Retinolkonzentration. Oft wird sogenannte Medical Skincare auch als begleitende Anwendung zur Vor- und Nachbehandlung bei ästhetisch-plastischen Eingriffen oder in Kombination mit minimal-invasiven Behandlungen angewendet.
Der Schwerpunkt vieler klassischer Kosmetiklinien liegt hingegen eher auf dem Wohlfühleffekt und der Pflege der Haut – was nicht heißt, dass nicht auch hier hochwertige Inhaltsstoffe enthalten sein können. Die Kunst ist es eben, beide Welten miteinander zu kombinieren.
Das heißt, wer Resultate sehen möchte, greift zur medizinischen Skincare?
Ob medizinisch inspirierte oder klassische Kosmetik – die Wirksamkeit von Produkten ist immer eine Frage der Wirkstoffe und deren Dosierung. Aber auch die Synergieeffekte intelligenter Wirkstoffkombinationen sind ausschlaggebend in Bezug auf sichtbare Resultate. Werden diese Aspekte entsprechend berücksichtigt, eröffnen sich beeindruckende Behandlungsmöglichkeiten – gerade bei der Bekämpfung von Pigmentstörungen, Akne oder ersten Fältchen. Man sollte aber auch die Grenzen der Wirkstoffkosmetik kennen. Es gibt (noch) keine Wundercreme, die mit einer einzigen Anwendung das Hautbild langfristig verbessert. Im Gegensatz zu vielen minimalinvasiven Behandlungen erfordert die Hautpflege eine gute Portion Gewissenhaftigkeit, Ausdauer und Geduld.
Cremes, Seren und Co. können also nicht mit ästhetischen Eingriffen mithalten?
Das Gleichsetzen von ästhetischen Eingriffen und Hautpflegeprodukten ist mit Vorsicht zu genießen. Denn eines ist klar: Keine Creme dieser Welt ersetzt eine Faltenunterspritzung und schon gar kein Phenolpeeling oder chirurgisches Lifting. Die Frage ist immer, was man erreichen möchte und wie hoch die Bereitschaft zu invasiveren oder chirurgischen Maßnahmen ist. So oder so halte ich eine konsequente Hautpflegeroutine für das Fundament einer gesunden und gut aussehenden Haut. Diese erreichen wir vor allem durch die tägliche Reinigung, die Versorgung mit Antioxidantien und natürlich durch Sonnenschutz.
Was kann die Kosmetik von der ästhetischen Medizin lernen?
Die ästhetische Medizin kann in Bezug auf Wirkungsweise und Behandlungsresultate als Vorbild für die kosmetische Behandlung und Pflege fungieren. Denken wir zum Beispiel an ein Phenol-Peeling, bei dem eine komplette Hauterneuerung stattfindet und auch tiefe Falten behandelt werden können. Mit einer Creme oder einem oberflächlichen Peeling sind zwar bei Weitem nicht dieselben Resultate denkbar, wir können uns aber die hier greifenden Wirkmechanismen zum Vorbild nehmen und die Erkenntnisse auf die Hautpflege adaptieren.
Was heißt das konkret?
Nehmen wir das Beispiel Phenolpeeling. Bei diesem Eingriff werden die Fibroblasten intensiv stimuliert, was zu einer Neubildung von kollagenen und elastischen Fasern führt. Im Labor stellt sich nun die Frage: Welche Wirkstoffe führen zu ähnlichen Effekten und wie lassen sich unerwünschte Hautreaktionen auf ein Minimum reduzieren? Die Antwort darauf könnte Retinol in einem intelligenten Verkapselungssystem sein.
Ein weiteres gutes Vorbild ist die Faltenunterspritzung mit Hyaluronsäure. Bezogen auf die Hautpflege ergeben sich etwa folgende Fragen: Welche Hyaluronsäurekombination und -konzentration müssen wir einsetzen, um mittels Cremes und Seren eine optimale Eindringtiefe in die Haut zu erzielen? Und mit welchen Wirkstoffen kann die Feuchtigkeitsbindung zusätzlich gesteigert werden. Eine wirkungsvolle Strategie wäre in diesem Fall die Kombination von ultra-niedermolekularer bzw. hydrolysierter und hochmolekularer Hyaluronsäure. Erstere sorgen für ein stabiles Feuchtigkeitspolster von innen, während die hochmolekulare Hyaluronsäure für eine sofortige Feuchtigkeitsversorgung auf der Hautoberfläche sorgt. Weitere Wirkstoffe wie Glycerin, Glykogen, Panthenol oder spezielle Pflanzenextrakte können diesen Effekt noch weiter intensivieren.
Aus dieser ganzheitlichen Denkweise entstehen hochspannende Ansätze, die neue Perspektiven in der Produktentwicklung eröffnen.